
Südkorea enthüllt Plan für 4,5-Tage-Woche zur Verkürzung der langen Arbeitszeiten des Landes bis 2030
Südkoreas kühnes Wagnis: Die 4,5-Tage-Woche-Revolution in einer Nation, die auf Überstunden aufgebaut ist
In den glänzenden Türmen des Gwanghwamun-Viertels in Seoul braut sich eine stille Revolution zusammen. Während sommerliche Hitze die Stadt umhüllt, hat das südkoreanische Ministerium für Beschäftigung und Arbeit die vielleicht ehrgeizigste Arbeitsmarktreform in der modernen Geschichte des Landes vorgestellt: eine 4,5-Tage-Arbeitswoche, die eine Kultur grundlegend neu gestalten soll, in der Marathon-Bürostunden lange Zeit ein Ehrenzeichen waren.
Von 18-Stunden-Tagen zur Freitagsfreiheit: Koreas Arbeitsentwicklung
Die Ankündigung, die im Juni 2025 formell dem Nationalen Planungs- und Beratungsausschuss vorgelegt wurde, markiert eine dramatische Wende für ein Land, dessen Wirtschaftswunder buchstäblich auf dem Rücken seiner Arbeiter aufgebaut wurde. In den 1970er Jahren, unter Park Chung-hees autoritärem Regime, waren 18-Stunden-Arbeitstage üblich, wobei staatlich kontrollierte Gewerkschaften eher als Werkzeuge für das Kapital denn dem Arbeitnehmerschutz dienten.
„Die Schatten dieser brutalen Arbeitsgeschichte ragen immer noch groß auf“, bemerkt ein erfahrener Arbeitsmarktforscher, der die koreanische Arbeitskultur seit Jahrzehnten studiert. „Als ein 22-jähriger Schneider sich selbst verbrannte und dabei das Arbeitsrechtsgesetz hielt, um gegen Ausbeutung zu protestieren, wurde dies zum Sinnbild des Opfers einer ganzen Generation.“
Das genannte Ziel der Regierung erscheint im Vergleich dazu nun fast bescheiden: Südkoreas strafend hohe durchschnittliche jährliche Arbeitsstunden bis 2030 von 1.859 auf unter den OECD-Durchschnitt von 1.717 zu senken. Doch in einer Nation, in der „Überarbeitung“ in der Unternehmens-DNA verankert bleibt, ist der erforderliche kulturelle Wandel gewaltig.
Tabelle: Grundursachen für Südkoreas Vorschlag zur 4,5-Tage-Woche
Grundursache | Erklärung |
---|---|
Übermäßige Arbeitszeiten | Südkoreas jährliche Arbeitsstunden liegen weit über dem OECD-Durchschnitt, was zu Erschöpfung und geringer Lebensqualität führt. |
Öffentliche Nachfrage | Starke Unterstützung der Arbeitnehmer für eine kürzere Arbeitswoche und bessere Work-Life-Balance. |
Politischer/Wahlkampf-Druck | Zentrales Wahlkampfversprechen und ein wichtiges Thema bei jüngsten Wahlen zur Gewinnung von Wählerstimmen. |
Demografische Krise | Niedrige Geburtenrate und schrumpfende Bevölkerung, verknüpft mit harter Arbeitskultur und Konflikten zwischen Arbeit und Familie. |
Globale/Wirtschaftliche Trends | Wunsch nach Modernisierung, Anpassung an globale Trends und Nutzung von Technologie für Produktivitätssteigerungen. |
Arbeitsrechtsreform | Überarbeitung veralteter Systeme und Schutz vor unbezahlten Überstunden und Überarbeitung. |
Erfolg von Pilotprogrammen | Positive Ergebnisse aus Unternehmens- und Regionalpilotprojekten, die Machbarkeit und Vorteile demonstrieren. |
Die 52-Stunden-Grenze durchbrechen: Die neue Rechnung der koreanischen Arbeit
Der Kern der Reform ist die Reduzierung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 Stunden, während die zulässigen Überstunden von 12 auf 8 Stunden gekürzt werden. Dies würde die maximale Arbeitswoche effektiv von 52 auf 48 Stunden senken – immer noch wesentlich höher als in vielen westlichen Ländern, aber im koreanischen Kontext revolutionär.
Bedeutender sind die strukturellen Reformen, die die Stundenreduzierung begleiten:
- Auslaufen des „umfassenden Lohnsystems“, das lange unbezahlte Überstunden verschleiert hat
- Gewährleistung des Rechts auf „Trennung von der Arbeit“ nach Feierabend
- Ermöglichung flexibler Arbeitszeitregelungen
- Implementierung einer schrittweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters
Anstatt einer sofortigen obligatorischen Einführung plant die Regierung, den Übergang durch Subventionen und Fördermaßnahmen zu anreizen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die das Rückgrat der koreanischen Lieferketten bilden.
„Schönes Chaos“ oder sinnvolle Veränderung? Die Skeptiker äußern sich
Die Reaktion der einflussreichen koreanischen Wirtschaftskreise war schnell und scharf. Fünf große Wirtschaftsverbände wiesen den Plan als „realitätsfern“ zurück und argumentierten, er drohe die Wettbewerbsfähigkeit zu untergraben, gerade wenn sich der wirtschaftliche Gegenwind global verstärkt.
„Dies ist nicht die Zeit für Experimente“, schlug ein Vertreter eines Verbandes der Fertigungsindustrie vor. „Der Vorschlag mag in der Theorie ansprechend klingen, aber für exportabhängige Unternehmen mit hauchdünnen Margen ist es gleichbedeutend damit, sie zu bitten, in einem Marathon mit Gewichten an den Knöcheln anzutreten.“
Die Kritik spiegelt Bedenken wider, die bei früheren Arbeitsrechtsreformen geäußert wurden. Als Südkorea Anfang der 2000er Jahre seine Fünf-Tage-Woche einführte, erlaubten Schlupflöcher bis zu 68 Wochenarbeitsstunden, wodurch die Änderung für viele Arbeitnehmer weitgehend kosmetisch blieb.
Jenseits der Bürotürme: Digitale Arbeitnehmer und „Lying Flat“
Jenseits von Vorstandsräumen und politischen Kammern hat der Vorschlag eine intensive Online-Debatte ausgelöst, die generationsbedingte Unterschiede in der Einstellung zur Arbeit selbst offenbart.
Viele jüngere Koreaner, desillusioniert von der hyperkompetitiven Arbeitslandschaft des Landes, haben bereits Alternativen zu traditionellen Karrierewegen angenommen. Einige haben sich der „Lying Flat“-Bewegung zugewandt – der Wahl von Unterbeschäftigung oder freiberuflicher Tätigkeit gegenüber Unternehmenshierarchien. Für sie erscheint die Debatte um die Arbeitswoche fast überholt.
„Die tatsächliche Arbeitszeit sinkt nur, weil junge Leute traditionelle Beschäftigung gänzlich aufgeben“, bemerkte ein beliebter Kommentar in einem koreanischen Tech-Forum. „Sie stimmen mit den Füßen ab.“
Andere sehen Potenzial, wenn – und das ist ein bedeutendes Wenn – die Reformen mit einer sinnvollen Durchsetzung einhergehen. „Wir haben diese Versprechen schon gehört“, bemerkte ein Büroangestellter in der Mitte seiner Karriere in einer Online-Diskussion. „Ohne echte Begrenzungen der Höchststunden und tatsächliche Strafen für Unternehmen, die diese verletzen, ist es nur eine weitere Schlagzeile.“
Die Automatisierungsbeschleunigung: Auswirkungen auf Investitionen
Für Investoren, die Koreas Arbeitsentwicklung beobachten, signalisiert die Reform mehr als nur eine Verbesserung der Lebensqualität – sie stellt einen erzwungenen Produktivitätswandel dar.
Wirtschaftsanalysten prognostizieren einen bescheidenen Bremseffekt auf das BIP-Wachstum von etwa 0,25 Prozentpunkten gegenüber der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 2026-30, unter der Annahme, dass etwa die Hälfte der verlorenen Arbeitsstunden durch Automatisierung und KI-Einführung wieder aufgefangen wird.
Die Marktauswirkungen schaffen klare Gewinner und Verlierer:
Der Sektor für Fabrik- und Lagerautomatisierung wird erheblich profitieren, da Korea bereits als drittgrößter Robotik-Installateur der Welt rangiert. Unternehmen wie Doosan Robotics und Rainbow Robotics könnten ein beschleunigtes Wachstum erleben, da Unternehmen in arbeitsplatzersetzende Technologien investieren.
Ähnlich könnten Cloud-Infrastruktur- und KI-Anbieter Rückenwind erfahren, da Unternehmen Produktivitätssteigerungen anstreben. Der massive Rechenzentrumsaufbau durch SK und AWS (7 Billionen KRW) deutet darauf hin, dass große Unternehmen bereits auf technologiegetriebene Effizienz umstellen.
Umgekehrt sehen sich exportabhängige KMU mit hohen Lohnanteilen und dünnen Margen erheblichem Druck ausgesetzt, insbesondere in den Lieferketten für Autoteile und Schiffbau. Da sie die Produktion aufgrund von Lokalisierungsanforderungen nicht schnell verlagern können, könnten diese Unternehmen mit schrumpfenden Margen zu kämpfen haben.
Zwischen Vision und Realität: Die Herausforderung der Umsetzung
Der Erfolg der Reform hängt vom legislativen Fortschritt ab, insbesondere von der Verabschiedung des „Gesetzes zur Verkürzung der realen Arbeitszeit“, die für Ende 2025 erwartet wird. Die Geschichte der koreanischen Arbeitsrechtsreformen deutet jedoch darauf hin, dass die Umsetzung wahrscheinlich auf erhebliche Hürden stoßen wird.
Die Bank of Korea prognostiziert minimale inflationäre Auswirkungen – etwa 1 Prozentpunkt auf den Kern-Verbraucherpreisindex (VPI) über zwei Jahre –, doch Wirtschaftsverbände warnen vor einem Anstieg der Stücklohnkosten um 6-8%, insbesondere für kleinere Unternehmen ohne Automatisierungskapazitäten.
Jenseits der Wirtschaft stellt die Reform eine grundlegende Infragestellung der nationalen Identität dar, für ein Land, in dem Arbeitsethik seit seiner raschen Industrialisierung mit Patriotismus gleichgesetzt wurde.
Wenn weniger mehr wird: Das Produktivitätsparadoxon
Während Südkorea diesen Übergang bewältigt, werden Investoren und Politiker wichtige Indikatoren genau beobachten: Tarifverhandlungsergebnisse, Roboterimportstatistiken und Einreichungen für Überstundenzuschläge werden signalisieren, ob die Reform an Zugkraft gewinnt oder untergraben wird.
Die 4,5-Tage-Woche ist weder reines politisches Theater noch ein garantierter Erfolg. Vielmehr stellt sie ein kalkuliertes Wagnis dar, dass die Koreaner, indem sie weniger arbeiten, letztendlich mehr produzieren könnten – ein Übergang von einer Wirtschaft, die auf Schweiß aufgebaut ist, zu einer, die von Innovation angetrieben wird.
Für eine Nation, die mit der weltweit am schnellsten schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und intensivem Wettbewerb sowohl von billigeren als auch von fortgeschritteneren Volkswirtschaften konfrontiert ist, könnten die Einsätze kaum höher sein. Die Frage ist, ob eine Kultur, die im Schmelztiegel von 18-Stunden-Arbeitstagen geschmiedet wurde, sich für eine Zukunft neu erfinden kann, in der die Qualität der Arbeit mehr zählt als die Quantität der Stunden.