
Japan startet universelles Betriebssystem für globale Glasfasernetze, um chinesischer Dominanz entgegenzuwirken
Japans mutiger Vorstoß zur Neugestaltung der globalen Glasfaserlandschaft
Tokio startet strategische Initiative, um chinesischer Dominanz bei kritischer Netzinfrastruktur entgegenzuwirken
Im Netzbetriebszentrum eines großen europäischen Telekommunikationsanbieters drängen sich Ingenieure um Bildschirme, die die Architektur eines neuen Betriebssystems anzeigen – eines, das weder die Handschrift von Huawei noch anderer chinesischer Hersteller trägt, die die globale Glasfaserinfrastruktur seit Jahren dominieren.
Diese Szene wird sich in den kommenden Monaten in mehr als zehn Ländern in Europa, Nordamerika und Afrika wiederholen, da das japanische Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation einen ambitionierten internationalen Test seines „universellen Betriebssystems“ für Glasfasernetzwerke startet – ein Schritt, der die Wettbewerbslandschaft der globalen Telekommunikationsinfrastruktur neu gestalten könnte.
„Was wir hier erleben, ist nicht nur eine technische Initiative, sondern eine strategische Neuausrichtung der globalen Telekommunikationslieferkette“, sagte ein erfahrener Telekommunikationsanalyst, der über das Projekt informiert wurde. „Japan nutzt seine jahrzehntelange Expertise im Bereich Glasfaser, um sich als vertrauenswürdige Alternative in einem Markt zu präsentieren, der zunehmend um Sicherheit und Herstellerabhängigkeit besorgt ist.“
Der technische Durchbruch
Im Mittelpunkt der japanischen Strategie steht ein hardwareunabhängiges Netzwerk-Betriebssystem, das auf praktisch jeder OCP-konformen Glasfaserausrüstung laufen soll. Das System – primär auf Beluganos (entwickelt von NTT und ACCESS/IP Infusion) und OcNOS-Plattformen basierend – bietet eine „Single-Image“-Lösung, die über verschiedene Arten optischer Übertragungshardware hinweg funktioniert.
Branchenexperten weisen darauf hin, dass dieser Ansatz drei entscheidende Vorteile bietet, die den Netzbetreibern lange Zeit verwehrt blieben: Herstellerneutralität, Disaggregation auf Komponentenebene und transparente Sicherheitsherkunft.
„Das wirtschaftliche Argument ist überzeugend“, erklärte ein Netzarchitekturberater, der aufgrund seiner Beteiligung an den bevorstehenden Tests um Anonymität bat. „Unsere Modelle legen nahe, dass Betreiber ihre Ersatzteil- und Schulungskosten um etwa 30 Prozent senken könnten, indem sie ein einziges Betriebssystem über mehrere Hardware-Plattformen hinweg standardisieren.“
Dieser Kostenvorteil kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt, da Telekommunikationsanbieter weltweit unter Druck stehen, ihre Infrastruktur zu modernisieren und gleichzeitig die Investitionsausgaben zu senken. Die japanische Lösung ermöglicht es den Betreibern, Hardware-Komponenten beliebig zu kombinieren, während eine konsistente Softwareschicht beibehalten wird – ein Paradigmenwechsel in einer Branche, die lange Zeit von proprietären, vertikal integrierten Systemen dominiert wurde.
Strategisches Timing und geopolitischer Kontext
Japans Bestreben zur Auslandsexpansion baut auf seinen außergewöhnlichen nationalen Errungenschaften im Bereich der Glasfaserinfrastruktur auf. Das Land hat im März 2022 eine Haushaltsabdeckung von 99,7 % für Glasfaser erreicht, mit dem Ziel, 99,90 % zu erreichen – ein Beweis für seine technischen Fähigkeiten und sein operatives Fachwissen.
Diese Erfolgsgeschichte im Inland reicht bis zur Pionierarbeit von Shoji Tanaka und NTT in den 1970er und 1980er Jahren zurück, als Japan eines der weltweit ersten Glasfaserkommunikationsnetze entwickelte. Nun nutzt Tokio diese Expertise sowohl als technischen Nachweis als auch als strategisches Asset in einem zunehmend angespannten geopolitischen Umfeld.
„Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt“, bemerkte ein ehemaliger Telekommunikationspolitikberater. „Diese Initiative steht in perfektem Einklang mit den G7-Richtlinien für sichere Konnektivität und den Kommuniqués der US-Japanischen Digital-Partnerschaft von 2025. Sie gibt Netzbetreibern die politische Rückendeckung, sich von chinesischen Anbietern zu diversifizieren.“
Die japanische Regierung hat diese Initiative strategisch in ihrem umfassenden Globalen Förderungsaktionsplan 2025 positioniert, der die Expansion japanischer Telekommunikationstechnologie ins Ausland betont. Der Plan zielt speziell auf Wachstumschancen in den Märkten für drahtgebundene Hochgeschwindigkeitskommunikation in Entwicklungsländern ab – genau dort, wo chinesische Hersteller dominante Positionen etabliert haben.
Die Marktchance
Es steht viel auf dem Spiel. Die globalen Investitionsausgaben für Festnetz-Transportnetze belaufen sich derzeit auf jährlich etwa 16 Milliarden US-Dollar, wobei Huawei und ZTE etwa 34 % dieses Marktes beliefern. Selbst eine moderate Verschiebung des Marktanteils von 5 % hin zu offenen japanischen Stacks über fünf Jahre würde eine Umsatzchance von 2,7 Milliarden US-Dollar darstellen.
„Es geht hier nicht um die vollständige Verdrängung etablierter Anbieter“, erklärte ein auf Telekommunikationsinfrastruktur spezialisierter Investmentanalyst. „Es geht darum, eine praktikable, vertrauenswürdige Alternative in einem Markt zu schaffen, der zunehmend die Diversifizierung der Lieferkette und die Sicherheitsherkunft schätzt.“
Der Markt scheint empfänglich. ACCESS (4813 JP), der alleinige Distributor von OcNOS/Beluganos und voraussichtlich Hauptauftragnehmer für die Tests, verzeichnete einen intraday-Aktienkurssprung von 14 % nach Informationslecks über die MIC-Initiative. Branchenbeobachter warnen jedoch, dass der Weg zur kommerziellen Akzeptanz weiterhin herausfordernd ist.
„Westliche Alternativen wie Ciscos Routed Optical Solutions gewinnen an Bedeutung, während Open-Source-Optionen wie SONiC die Telco-taugliche Unterstützung vermissen lassen, die Netzbetreiber fordern“, bemerkte ein Netzarchitekt eines nordamerikanischen Tier-1-Anbieters. „Japans Angebot muss diesen Spagat meistern – sowohl die von Betreibern gewünschte Offenheit als auch die benötigte Zuverlässigkeit bieten.“
Unternehmenspositionierung und Investitionsimplikationen
Die Initiative schafft vielfältige Möglichkeiten im gesamten Telekommunikations-Ökosystem. NTT (9432 JP), das über geistige Eigentumsrechte an Beluganos und eine Beteiligung von 12,9 % an ACCESS verfügt, wird sowohl von der Technologielizenzierung als auch von den damit verbundenen Dienstleistungen profitieren. Hardwarehersteller wie Fujitsu und NEC könnten eine erhöhte Nachfrage nach ihrer White-Box DWDM- und All-Photonics-Netzwerkausrüstung verzeichnen.
Für Investoren ist die Schlüsselfrage, ob diese Tests zu kommerziellen Implementierungen führen werden. ACCESS bietet die direkteste Beteiligung am Erfolg der Initiative, jedoch mit erheblichen Umsetzungsrisiken. Wie ein Portfoliomanager es ausdrückte: „Dies ist Optionalität, kein sich verstärkender Cashflow. Die ersten Leistungsdaten der Piloten von 2026 werden bestimmen, ob Japans Lösung zu einem kommerziellen Standard wird oder ein politisches Vorzeigeprojekt bleibt.“
Die Ausschreibung (RFP) für die nordamerikanischen Tests endet am 9. Juni 2025 und bietet den ersten konkreten Hinweis darauf, welche Betreiber und Systemintegratoren teilnehmen