
Coloplast CEO tritt zurück, der Vorstand leitet Strategieänderung und Suche nach neuem Chef ein
Ein Neustart unter Aufsichtsratführung, keine Krise: Ein Blick hinter Coloplasts plötzlichen CEO-Wechsel und was als Nächstes kommt
Ein Schritt, der in Dänemarks Geschäfts- und Gesundheitswelt Wellen schlug: Coloplast A/S gab am Montag den sofortigen Rücktritt seines Präsidenten und CEO Kristian Villumsen bekannt. Der plötzliche Abschied des Firmenchefs nach fünf Jahren im Amt, nur einen Tag vor der Veröffentlichung der Halbjahresergebnisse für 2024/25, wird nicht als Krise dargestellt – sondern als bewusster Wendepunkt für ein Unternehmen, das sich auf eine Neuausrichtung vorbereitet.
Doch hinter den offiziellen Formulierungen von „Kontinuität“ und „Strategie-Update“ deuten Marktsignale auf ein komplexeres Bild hin: Spannungen in der Unternehmensführung, langsamer werdendes Wachstum und eine Investorenbasis, die sich nun auf einen volatilen Übergang über 12 Monate einstellt.
Ein bekanntes Gesicht kehrt zurück: Lars Rasmussen springt ein – wieder
Übergangsweise übernimmt Coloplasts Aufsichtsratsvorsitzender Lars Rasmussen die CEO-Rolle – seine zweite Amtszeit an der Spitze. Rasmussen leitete das Unternehmen bereits von 2008 bis 2018 und ist seit 2001 im Führungsteam tätig. Um diesen Wechsel zu ermöglichen, wird Aufsichtsratsmitglied Jette Nygaard-Andersen zur interimistischen Aufsichtsratsvorsitzenden und übernimmt die Verantwortung für den Vergütungs- und Nominierungsausschuss sowie Aufgaben im Prüfungsausschuss.
Doch die Optik ist schwierig. Für einige institutionelle Investoren verwischt diese Rochade die wichtige Grenze zwischen Aufsichtsratskontrolle und Managementbefugnis.
„Aus Sicht der Unternehmensführung ist das nicht ideal“, bemerkte ein Manager eines nordischen Gesundheitsfonds. „Wenn ein Aufsichtsratsvorsitzender ohne klare Nachfolgeplanung CEO wird, wirft das berechtigte Fragen zur Unabhängigkeit des Aufsichtsrats und zur langfristigen strategischen Klarheit auf.“
Tatsächlich hatte der dänische Pensionsfonds Akademikerpension bereits 2023 Bedenken wegen der Machtkonzentration bei Rasmussen geäußert, gegen seine Wiederwahl gestimmt und einen persönlichen Aktienverkauf von 94 % als Warnsignal für die Interessengleichheit angeführt.
Markt reagiert mit Skepsis, nicht Panik
Die Coloplast-Aktie gab am Montag bei Markteröffnung um etwa 3 % nach, nachdem sie bereits am Freitag vor der Ankündigung um 2 % gefallen war. Dies liegt im Einklang mit der durchschnittlichen Underperformance von –4 % an einem Tag, die bei CEO-Abgängen in der europäischen Medizintechnik im Vergleich zum STOXX 600 Health Care Index beobachtet wird.
Der Abverkauf, so Analysten, sei eher eine Reaktion auf Unsicherheit als auf eine konkrete Krise.
„Hier gibt es keinen Einbruch bei den Gewinnen“, erklärte ein Analyst. „Es geht um das Fehlen einer strategischen Vision – Investoren preisen eher die mangelnde Klarheit ein als operative Störungen.“
Dieses Gefühl wird durch eine kürzliche Senkung der Prognose von Coloplast für das Geschäftsjahr 2024/25 verstärkt: Nur vier Tage zuvor hatte das Unternehmen die Ziele für das organische Wachstum von 8–9 % auf ~7 % gesenkt. Als Gründe wurden eine Schwäche im China-Geschäft und anhaltende Probleme mit Produktrückrufen in der interventionellen Urologie genannt. Für einige Beobachter diente die niedrigere Prognose als letztes Signal an den Aufsichtsrat, dass der aktuelle Kurs nicht ausreichend war.
Coloplast am Scheideweg: Strategisch, Kulturell und Wettbewerblich
Kultur und Mitarbeitervertrauen
Trotz Bedenken an der Spitze weisen Insider darauf hin, dass Rasmussens vorherige zehn Jahre an der Spitze ein stabilisierender Faktor für die Stimmung im Unternehmen sein dürften. Seine Vertrautheit mit der Unternehmenskultur und dem Geschäftsbetrieb dürfte Übergänge für regionale Vertriebsleiter erleichtern, besonders in risikoreicheren Regionen wie China und den USA, wo Wechsel in der Führungsebene zu Kundenverlusten und Abwanderung von Teams führen können.
„Es ist unwahrscheinlich, dass es zu einer Abwanderung von Talenten kommt“, sagte ein Personalberater, der sich auf den Medizintechnik-Vertrieb spezialisiert hat. „Der Übergangs-CEO ist kein Unbekannter. Das zählt viel in einem Unternehmen, in dem Loyalität und interne Beförderungen zur DNA gehören.“
Minimale Kundenstörungen – vorerst
Auch die Produktkontinuität scheint gesichert. Coloplasts Hauptgeschäftsbereiche in der Stoma- und Kontinenzversorgung basieren auf langfristigen Verträgen mit Krankenhäusern und öffentlichen Gesundheitssystemen. Plötzliche Marktanteilsverluste sind daher weniger wahrscheinlich – selbst bei Führungswechseln.
„Solange es keine Fusion oder größere Preisstörungen gibt, werden die Kunden ihre Lieferanten nicht wechseln“, bemerkte ein Einkäufer eines europäischen Krankenhauses. „Das Risiko liegt eher darin, dass die Innovationspipeline ins Stocken gerät oder die Wettbewerber vorbeiziehen.“
Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) für Coloplasts Kerngeschäftsfelder bleibt mit etwa 4–5 % stabil, wobei Convatec und Hollister die Hauptwettbewerber in Europa und Nordamerika sind.
Strategische Hebel: Was bei der CEO-Suche auf dem Spiel steht
Während der CEO-Wechsel als Kontinuität dargestellt wird, ist die eigentliche Botschaft klar: Coloplast will das Wachstum wieder beschleunigen und über das reife Kerngeschäft hinaus expandieren. Der nächste CEO, der innerhalb von 12 Monaten gefunden werden soll, wird die Aufgabe haben, mehrere wichtige strategische Neuausrichtungen umzusetzen. Analysten haben bereits begonnen, Szenarien auf Basis möglicher Profile zu modellieren.
Das M&A-Playbook wird wieder geöffnet
Nach der Übernahme von Kerecis für 1,3 Milliarden Dollar (ca. 1,2 Milliarden Euro) ist Coloplasts Bilanz weiterhin gering verschuldet, mit einer Nettoverschuldung im Verhältnis zum EBITDA deutlich unter dem Zweifachen. Das gibt dem Aufsichtsrat genügend finanzielle Schlagkraft – geschätzt 3–4 Milliarden Euro – für weitere ergänzende Zukäufe.
„Es gibt allen Grund zu glauben, dass sie wieder auf Einkaufstour sind“, sagte ein M&A-Berater, der mit der Branche vertraut ist. „Übernahmeziele in der US-Wundversorgung – wie MiMedx oder Organogenesis – sind eine logische Ergänzung.“
Solche Schritte würden zu Coloplasts früher erklärtem Ziel passen, in angrenzende wachstumsstarke Bereiche zu expandieren, insbesondere Biologika und fortschrittliche Therapien zur Wundheilung, die schneller wachsen als die traditionellen Segmente des Unternehmens.
Neuausrichtung der F&E und Entscheidungen zum US-Geschäft stehen bevor
Der Schwerpunkt von Coloplasts Forschung und Entwicklung (F&E) könnte sich bald aggressiver auf Biologika und Vakuumtherapie verlagern, Bereiche, in denen Grand View Research eine jährliche Wachstumsrate von 4,8 % schätzt – deutlich höher als in der Stomaversorgung.
Gleichzeitig ist der Geschäftsbereich interventionelle Urologie – einst ein wichtiger Wachstumstreiber in den USA – zu einem Fragezeichen geworden. Kürzliche Rückrufe haben das Segment zum Stillstand gebracht, und seine Zukunft ist ungewiss.
„Ein neuer CEO muss schnell entscheiden: Investieren wir mehr oder verkaufen wir?“, bemerkte ein ehemaliger Manager bei Coloplast.
Kurzfristige Szenarien: Drei Wege und ihre Bedeutung für Investoren
Szenario (12 Monate) | Wahrscheinlichkeit | Auswirkung auf Gewinn pro Aktie | Gesamtrendite über 12 Monate |
---|---|---|---|
Wachstumsfokussierter Kandidat von außen (z. B. ex-Stryker Manager) | 40% | +5% (Kostensenkungen, Beschleunigung der Übernahmen) | +15–20% |
Interner Nachfolger, der für Kontinuität steht | 35% | Neutral | +5–10% (nur Dividenden) |
Suche zieht sich hin oder Eingreifen von aktivistischen Investoren | 25% | –5% (langsamere Umsetzung) | –10% |
Gesamtrendite: Total Shareholder Return. Aktueller Basispreis: 890 Dänische Kronen
Für GARP-Investoren (Growth At a Reasonable Price) bietet die aktuelle Bewertung Potenzial nach oben. Die Aktie wird mit weniger als dem 25-Fachen der geschätzten Gewinne gehandelt, unter dem 5-Jahres-Durchschnitt von 28. Einkommensorientierte Anleger können weiterhin mit einer Dividendenrendite von 2,4 % rechnen, bei einer Ausschüttungsquote von unter 60 % des freien Cashflows.
Die Unbekannte könnten jedoch aktivistische Investoren sein. Wenn der Aufsichtsrat es bis zum 3. Quartal nicht schafft, einen externen Kandidaten mit glaubwürdiger M&A-Erfahrung zu gewinnen, könnten Namen wie Cevian oder Elliott ins Gespräch kommen – insbesondere da Fragen zur Unternehmensführung bestehen bleiben.
Was kommt nach Villumsen?
Man muss ihm zugutehalten, dass Kristian Villumsen Coloplast in besserer Verfassung hinterlässt, als er es vorgefunden hat. Seit 2018 expandierte das Unternehmen in neue Segmente, schloss strategische Übernahmen ab und bereinigte anhaltende Rechtsstreitigkeiten wegen Netzimplantaten und Schmiergeldzahlungen – und hinterließ so eine weitgehend saubere Compliance-Bilanz für seinen Nachfolger.
Doch die jüngste Senkung der Prognose, der wachsende Wettbewerb in den USA und die Ungeduld der Investoren mit einer organischen Wachstumsrate im mittleren einstelligen Bereich machten einen Neuanfang nötig. Ob der nächste CEO das liefern kann – durch Übernahmen, Innovation oder Verkäufe – wird den Kurs von Coloplast bis 2030 bestimmen.
Kein Zusammenbruch, sondern ein Neuanfang
Coloplasts Führungswechsel ist kein Desaster. Es ist ein vom Aufsichtsrat gesteuerter Neuanfang, der das Unternehmen für eine neue Ära des Wachstums in den Bereichen Biologika, digitale Gesundheit und globale Konsolidierung im Medizintechnikbereich neu positionieren soll.
Die Herausforderung? Nicht vom Kurs abzukommen, während man einen neuen Chef sucht, das Vertrauen der Investoren trotz Bedenken bei der Unternehmensführung zu erhalten und die Wettbewerber zu übertreffen, die nicht stillstehen.
Die nächsten zwölf Monate werden nicht nur den Mut von Coloplasts Aufsichtsrat auf die Probe stellen – sie werden die Bedeutung des Unternehmens in einem Markt prägen, in dem chirurgische Präzision und strategische Dringlichkeit die einzigen Währungen sind, die zählen.